Digitalisierung und Teilnahme

Ist es schon Zeit für einen Rückblick auf die Pandemie? Hoffentlich! Nichts ist gewiss! Aber über Manches lässt sich schon mal nachdenken.

zuerst erschienen am 29.05.2021 auf punkgebeteblog

Ist es schon Zeit für einen Rückblick auf die Pandemie? Hoffentlich! Nichts ist gewiss! Aber über Manches lässt sich schon mal nachdenken.

Die Pandemie nähert sich ihrem Ende, zumindest ist das die allgemeine Hoffnung und die Zahlen der Neuangesteckten sprechen dafür. Zahlen, auf die jede*r jeden Morgen wie ein Kind auf den Weihnachtsmann wartet. Zurecht ist viel von den Problemen die Rede, die das Covid 19 Virus mit sich gebracht hat. Wie ein Brennglas oder eine Lupe, heißt es, hebt es die Probleme hervor, ob den Gender Gap, die Kluft zwischen Arm und Reich oder wer oder was in diesem Land geschätzt wird, monetär und im Ansehen.
Die Auswirkungen der Pandemie, die die Welt seit mehr als einem Jahr das Leben in all seinen Ausprägungen beeinflusst, sind nicht absehbar. Wie bei der Finanzkrise gab es eine kurze Zeit, in der über Alternativen zu unserem Lebensstil nachgedacht wurde, bevor ein kräftiges weiter so lautlos den Takt vorgab. Realistischerweise besteht aber auch die Möglichkeit, dass Covid 19 uns gar nicht mehr verlässt, was das bedeutet, kann man nicht absehen. Die harmloseste Folge wäre eine jährliche Impfung gegen das Virus und seine Varianten.

Es hat aber auch etwas stattgefunden, dass zweischneidig daherkommt – die Digitalisierung. Was das für die Industriearbeitsplätze heißt, ist noch nicht abzusehen. Gemeint ist damit das Vorhaben: „Internet der Dinge, Maschine-zu-Maschine-Kommunikation und Produktionsstätten, die immer intelligenter werden, läuten eine neue Epoche ein – die vierte industrielle Revolution, Industrie 4.0.“

Verfolgbar ist dagegen der plötzliche Einsatz des Internets in vielen Bereichen, in denen zuvor nur darüber geredet wurde, tatsächlich aber nicht viel passiert ist. Unter dem Druck der Quarantäne wurde der internetgestützte Unterricht akut und schon wurde offenbar, dass sowohl die Ausstattung als auch die Lehrer*innenschaft nicht gut auf die Situation vorbereitet war, obwohl das Internet nun wahrlich kein neues Phänomen ist.

Aber es gibt auch Effekte, die spannend sind. Sich lediglich anmelden zu müssen um mal umsonst und mal kostenpflichtig an Veranstaltungen oder Diskussionen teilnehmen zu können, eröffnet Möglichkeiten. Dies bietet die Gelegenheit Aufführungen von Theatern in anderen Teilen des Landes von zuhause aus zu besuchen. Gerade jetzt läuft etwa die digitale lit.COLOGNE. Und damit ist aber schon eine Gefahr benannt. Wie das Fernsehen können Kulturveranstaltungen in diesem Format nebenbei konsumiert werden. Der Hochkultur droht dadurch potentiell Erosion, aber vielleicht auch neue Zuschauer*innen.

Das Stück „Schwarze Block“ des Maxim Gorki in Berlin sehen zu können, von dem ich vorher in einer Online-Diskussion gehört hatte, war ein Geschenk, das ich sonst nicht erhalten hätte. Ebenso die Teilnahme an der Diskussion zum Weltmenstruationstag gestern. In eine Veranstaltung zu gehen, in der fast ausschließlich menstruierende Menschen diskutieren, das hätte ich unter anderen Umständen wohl nicht gemacht. Die Versuchung, die Veranstaltung als nicht an mich adressiert einzuordnen, wäre groß gewesen. Da die Besucher*in sich aber genauso leicht aus der Veranstaltung ausklingen kann, bleibt eine gewisse Freiheit zur Unverbindlichkeit.

Puritaner*innen oder sind es kulturelle gebildete Menschen mögen einwenden, um Kultur genießen und verstehen zu können, muss man die langatmigen Passagen ertragen. Kurz: Da muss man durch! Aber das ist nach wie vor die Entscheidung jeder und jedes Einzelnen, nur wird der Zugang erleichtert. Die Zahlschranke bliebe das letzte Hindernis.

Aber was hätte ich verpasst! Die Gelegenheit zu lernen, bekommt man schließlich nur, wenn sich mit Unbekanntem konfrontiert. Und ich habe einiges gelernt und kann nur empfehlen, sich einzulassen.

Als Mensch, der mindestens eine Stunde in die nächste Stadt braucht und der es sich aus diesem Grund zweimal überlegt in die Bahn oder ins Auto zu steigen, sind solche digitalen Konferenzen eine Entscheidungshilfe teilzunehmen. Schlechtes Diskussionsverhalten gibt es auch analog.

Natürlich gibt es Probleme, wenn es um Abstimmungen geht. Es muss nicht alles ausschließlich digital bleiben, aber dass erste Kulturveranstalter angekündigt haben, digitale Übertragungen weiter zu nutzen, freut mich.
Wen es interessiert, schaue sich das Programm der lit.COLOGNE an.

Ergänzung vom 27.04.2024: Die Experimente mit Online-Formaten und Streamungs von Kulturveranstaltungen scheinen offenbar nicht mehr weitergeführt zu werden und Online-Meetings haben an Verbindlichkeit verloren.

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