Filmprojekt der Ausstellung

Der Salmen in Offenburg

Am besten lässt sich im Gasthaus politisieren. Im September 1847
entstand so im Salmen in Offenburg ein Forderungskatalog an die badische Regierung: Die Forderungen des Volkes, „ein erstes demokratisches Manifest für Deutschland,“ bzw. für Baden.

Der Salmen in Offenburg am 5.5.23

Zentral in der Stadt, wie es sich für eine gute Adresse gehört, liegt der traditionsreiche Salmen. In seiner langen Geschichte hatte das Haus ganz unterschiedliche Inhaber und Funktionen. 1787 erstmals erwähnt, baute der Wirt 1806 einen Festsaal über den Stall. „1875 erwirbt die jüdische Gemeinde den Komplex, nutzt ihn als Synagoge“, bis zur Reichsprogromnacht, in der Offenburger Bürger das Gebetshaus „plündern und zerstören.“ In der jungen Bundesrepublik „erhält der Oberrat der Israeliten in Baden das Gebäude zurück. Dieser verkauft es weiter, denn in Offenburg gibt es keine jüdische Gemeinde mehr.“ Bevor es ein Gedenkort wurde, residierte 50 Jahre ein Elektrohandel im alten Gemäuer. Ende der 90er kaufte die Stadt das Gebäude und baute es dann zum Ort des Gedenkens um.

12. September 1847

Im Offenburger Wochenblatt von 1847 wurde die Versammlung des 12. Septembers 1847 als „eine Versammlung von Verfassungsfreunden aus verschiedenen Theilen des Landes Statt, zum Zwecke gegenseitiger Besprechung und Verständigung“ angekündigt.

Von Alexander König / Petra Maton – Erstellt mit Microsoft PowerPoint 2003, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=113651553

Was aus heutiger Sicht wie ein Vorwand aussieht, war in weiten Teilen Tatsache. Der Historiker Dieter Langewiesche sieht die Forderungen weitgehend innerhalb der Grenzen der badischen Landesverfassung. „Man wollte den Reformhebel dort ansetzen, wo es mit gültigem Recht möglich ist.“
Dass der Titel der Versammlung wenig auffällig war, lag aber auch dran, dass die Badener Abgeordneten sehr bald nach dem Erlass der ersten badischen Verfassung durch den Badischen Landesherren nach einer Feier zu Ehren der Verfassung gerufen hatten und diese tatsächlich wenige Jahre vorher begangen wurde. Dass einige Forderungen aber auch die Grenzen der Verfassung überschreiten, bemerkt Langewiesche allerdings auch. Seine Einschätzung lautet entsprechend:

„Nicht nur in der deutschen Geschichte, auch im europäischen Vergleich standen die Offenburger Verfassungsfreunde mit ihren Forderungen an der Spitze der damaligen bürgerlichen Reformbewegung. Kein Staat im Europa ihrer Gegenwart erfüllte voll und ganz, was sie 1847 als Handlungsaufforderung der Öffentlichkeit übergeben hatten.“

(Langewiesche. Die Bedeutung der 13 Forderungen des Volkes in Baden im europäischen Umfeld, in: Sylvia Schraut, Peter Steinbach, Wolfgang M. Gall und Reinhold Weber (Hrsg.) Menschenrechte und Geschichte. Die 13 Offenburger Forderungen des Volkes von 1847. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg).

Allerdings erschien die Ankündigung der „Versammlung von Verfassungsfreunden “ nicht nur im Offenburger Wochenblatt. Zum einen wies Struve die Leser:innen seiner Zeitung (Deutscher Zuschauer) seit Anfang August in einer Reihe von Artikeln auf den Termin hin. Außer ihm verschafften gleichgesinnte Redakteure mehrerer Organe dem 12. September 1847 Aufmerksamkeit (vgl. Wien, B., 1999, S. 172).
900 Personen sollen schließlich im Festsaal des Salmen anwesend gewesen sein, Männer und Frauen aus ganz Baden, aber auch auch von außerhalb. Und die Forderungen, die von Struve und Hecker vorbereitet worden waren, wurden einstimmig angenommen.

„Doch was die Offenburger Forderungen vor allem – und zwar noch heute! – auszeichnet, ist ihr Bekenntnis zur sozialen Demokratie.“ (Limbach, 164) Dies stellte Jutta Limbach, von 1994 bis 2002 Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, 1999 im Salmen heraus. Dies unterstreicht auch Bernhard Wien, der sich die Rednen der Versammlung genauer angesehen hat. Da es sich bei dem Treffen auch um eine Verfassungsfeier und eine Wahlkampfveranstaltung für die Nachwahl in Offenburg handelte, „stand man auf dem festen Grund der Verfassung“. Allerdings wollten die Wortführer sie „um demokratisch-soziale Säulen“ erweitern (Wien, B., S. 189).

Obwohl das „Reizwort“ Republik, wie das Portal „landeskunde-baden-wuerttemberg“ formuliert, nicht verwendet wird, erkennt die zeitgenössiche Zeitung, das Mannheimer Morgenblatt“, in dem Programm einen Aufruf zur Revolution. Die Forderungen spielten im darauffolgenden Revolutionsjahr weiter eine Rolle.

Geschichtserzählung

Literatur:

Langewiesche. D.: Die Bedeutung der 13 Forderungen des Volkes in Baden im europäischen Umfeld, in: Sylvia Schraut, Peter Steinbach, Wolfgang M. Gall und Reinhold Weber (Hrsg.) Menschenrechte und Geschichte. Die 13 Offenburger Forderungen des Volkes von 1847. Landeskundliche Reihe Bd. 43, Verlag W. Kohlhammer, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (2015)

Wien, B.: Die Reden der Offenburger Versammlung 1847 und 1848 – ein Treffen radikaler Liberaler, in: Die Ortenau. Veröffentlichungen des historischen Vereins für Mittelbaden, 79. Jahresband 1999, http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1999, S. 169-198

Limbach, J.: Die Bedeutung der Offenburger Forderungen von 1847 und 1848 für den modernen Verfassungsstaat, Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden, 79. Jahresband.1999. http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1999, 161-168.

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