USA und Deutschland: Migration und autoritäre Tendenzen

Ich habe den Beitrag vor Wochen begonnen und es ist soviel passiert, dass ich Gefahr laufe Sachen zu vermischen. Am 5. November 2024 waren die Wahlen in den USA. Am 20. Januar wurde Donald Trump als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. In den ersten zwei Wochen seiner Amtszeit verkündete er, dass er Grönland für Amerika kaufen wolle, Panama wegen seines Kanals ebenfalls den USA gehören und auch Gaza, nachdem die Bewohner in die Nachbarstaaten „gezogen“ sind, ebenfalls an die USA fallen sollte. Damit nicht genug versagte Trump zuletzt der Ukraine die Unterstützung.

Und sowohl beim Thema Gaza als auch bei der Ukraine war Europa nicht mal am Katzentisch dabei, obwohl sowohl die europäischen Staaten als auch die EU in beiden Konflikten involviert war. Gerade beim Ukrainekrieg, dessen Ende zwischen Trump und Putin besprochen wurde, übernahmen die beiden Herren, wie einst die Europäer zuzeiten des Imperialismus, die Grenzziehung zwischen Russland und der Ukraine und deklassierten Europa.

Im Herbst und bis in den Januar hinein fand eine Serie von Gewalttaten statt und in München, Mannheim, Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg starben dabei insgesamt 14 Menschen. Darauf hin kündigte Friedrich Merz in trumpscher Manier an, er „werde am ersten Tag im Amt des Bundeskanzlers das Bundesinnenministerium auf dem Wege der Richtlinienkompetenz anweisen, an allen Staatsgrenzen Kontrollen durchzuführen und alle Personen abzuweisen, die nicht über gültige Einreisedokumente oder über die europäische Freizügigkeit verfügten.“

Eine Zusammenarbeit zwischen AfD und CDU in der Migrationspolitik schien am 31.01.25 absehbar, als Merz ankündigte, seine migrationspolitischen Pläne notfalls mit der AfD durchzubringen. Auch wenn dies ein Antrag und keine Abstimmung über ein Gesetz war, wurde damit von Merz die Unterstützung der AfD gegen die Regierungsparteien in Kauf genommen. Die Zivilgesellschaft links der CDU war gewarnt und mobilisiert, nicht jedoch der große Rest, der mehrheitlich CDU und AfD wählte.

„Ohne diesen fast vollständigen Zusammenbruch, weniger der persönlichen Verantwortung als vielmehr des persönlichen Urteilsvermögens in den Anfangszeiten des Nationalsozialismus, kann man unmöglich verstehen, was tatsächlich später geschehen ist.“ Diese Einschätzung stammt von Hannah Arendt. Sie erwähnt auch einen Gewohnheitseffekt. „[U]nd es wäre wirklich sehr merkwürdig gewesen, sich moralisch über die Reden der Nazigrößen zu empören, wo doch deren Ansichten seit Jahren allgemein bekannt gewesen waren.“ (Arendt, Hannah: Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur?)

Am 23. Februar 2025 fand die Bundestagswahl statt und die AFD wurde zweitstärkste Partei. Diese an sich alarmierende Tatsache wurde aber rasch vergessen, als klar war, dass eine Koalition ohne Beteiligung der AfD möglich war. Unterstützt wurde die Ablenkung von der AfD durch das Gespräch zwischen Puntin und Trump über die Ukraine, die in Großmachtmanier stattfand. Die Abkehr der USA von der Ukraine führte in der Folge zur Ankündigung einer massiven Aufrüstung.


Meinungsmacht

In den USA hat sich nach der Wahl der reichste Mann der Welt Elon Musk vom größten Wahlkampfspender des Kandidaten Trump zum Chefberater des Präsidenten Trump gemausert. Zu diesem Duo haben sich Amazon-Gründer Jeff Bezos, Meta-Chef Mark Zuckerberg und Apple-Chef Tim Cook gesellt. Diese Tek-Bosse haben sogleich Maßnahmen, wie den Faktencheck zurückgezogen.

Schon von den ersten Amtszeit Trumps schrieb Frank Deppe: „Der neue autoritäre Nationalismus (»America First«) ist mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sowie mit dem Abbau demokratischer Rechte und neuen autoritären Herrschaftsformen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verbunden. Neue Kommunikationsformen über »neue Medien« sind zu eigenständigen Machtfaktoren geworden.“ (Deppe, Frank: Nachwort: Bonapartismus reloaded?, 243)

Der alte Recke Bernie Sanders kommt nach nur zwei Wochen Regierungszeit Trumps zu dem frühen Fazit, dass sich mit diesen amerikanischen Oligarchen eine Machtballung stattgefunden hat, die beinahe sprichwörtlich ist. Durch Musk bewahrheite sich, was man immer schon sagte, dass man in einer oligarchen Gesellschaft lebe, in der die Gesellschaft von Millionären dominiert werden, die nicht nur die Politik sondern auch die Informationen, die durch Medien konsumiert werden, und das ökonomische Leben bestimmen.

Sollte die Geschichte des Kapitalismus auf die Oligarchie, auf die zwei sich gegenüberstehenden Klassen hinauslaufen – wäre die marxsche Lesart der Geschichte nahezu erfüllt. Allerdings sind es im „digitalen Kapitalismus“ nicht die Industriebosse, sondern die Medienchefs, Frauen sind in diesem illustren Kreis nicht vorhanden.

Sehr schnell ingorierte die SPD sowohl die anti-Linken und anti-Grünen Sprüche von Merz. Der sagte beim Wahlkampfabschluss mit Hinweis auf die Demonstraten vor der Halle (You-Tube-Transkript):

„wo ja ich frag mal wo waren die denn als Walter Lüpke in Kassel ermordet worden ist von rechts von einem rechtsradikalen wo [… war der Aufstand] der Anständigen […] ich geb den Leuten da draußen eine Antwort ich geb den Leuten da draußen eine Antwort links ist vorbei es gibt keine linke Mehrheit und keine linke Politik mehr in Deutschland“. (40:41-41:38)

In Deutschland setzte sich nach der Bundestagswahl die neuste Spielart der großen Koalition mit der SPD als deutlich kleinerem Juniorpartner durch. Das Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen den beiden ehemaligen Volksparteien kommentiert Klaus Mertens, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Betriebsrats der ZF Friedrichshafen AG, sowie des Europäischen Betriebsrats der ZF wie folgt auf Facebook wie folgt:

„Das kleine Rädchen Richtung klimagerechter Umbau des Landes, das die letzten Jahre gedreht wurde, wird zurückgedreht. Gaskraftwerkeneubau, Agrardiesel und Technologieoffenheit bei der Mobilitätswende etc. Dann wird an den Arbeitszeitgesetzen gedreht, die soziale Sicherung Bürgergeld mit krassen Repressionen eingedämmt und hinter diesem Bürokratieabbau steckt wohl die Streichung von betrieblicher Mitbestimmung, naturschutz-rechtlicher Beteiligung der Verbände und das Lieferkettengesetz.
Dass das Thema Migration so FCKA*D-like aufgelöst ist und die Integrationsthemen gerade mal nen Spiegelstrich ausmachen setzt diesem Papier die Krone auf.“

Auf dem Klimastreik in Schweinfurt erinnerte er die Anwesenden daran, dass „die gewerkschaftlichen Kämpfe um gute Arbeit, die Kämpfe der Umweltbewegung gegen den Klimawandel und die Ressourcenvernichtung und die weltweiten Kämpfe für demokratische Strukturen zusammengehören.“

„Kriegswirtschaft“ war einst ein antiquiertes Wort und taucht nun wieder auf. Die Haushaltsplanung von Union und SPD mit den Sondervermögen ist ein „Bekenntnis zum Militär-Keynesianismus. Der Staat nutzt kreditfinanzierte Fiskalpakete, um die Ausgaben für Drohnen, Gewehre und Panzer zu erhöhen. Für den Rest von Wirtschaft und Gesellschaft gilt hingegen das Spardiktat mit der möglichen Ausnahme von Infrastrukturinvestitionen.“ Diese Mobilitätswende war von Mertens nicht gemeint. Die Autor:innen der Zeitschrift surplus befürchten, dass diese Priorität zu einem weiteren Anwachsen der Zustimmung zur AfD führen könnte. „Wenn die Menschen das Gefühl bekommen, dass die Mittel für das Militär unbegrenzt sind, während sie selbst den Gürtel enger schnallen müssen und die Lasten der grünen Transformation schultern sollen, dürfte die Zustimmung zur AfD weiter ansteigen.“

Es kommt ein neues altes Politikverständnis auf und so untersuchten eine Reihe Wissenschaftler:innen die Parallelen zwischen den „autoritären, antidemokratischen Tendenzen am Anfang des 21. Jahrhunderts – vor allem nach der »Großen Krise« des globalen Finanzmarktkapitalismus (2007/08)“ und der „Bonapartismustheorie“ (vgl. Deppe, Frank: Nachwort: Bonapartismus reloaded?, 243f.).

Frank Deppe nennt die bisherigen Jahre des neuen Jahrhunderts die Phase der „reflexiven Globalisierung“. „Die Folgen der Kriege, die der Westen seit 1991 geführt hat, gehören dazu ebenso wie die Folgen der »imperialen Lebensweise«, die vom Wachstum der industriellen Zivilisation profitiert und zugleich Naturzerstörung und Klimawandel, aber auch das Elend in der Welt nachdrücklich verursacht.“ (Deppe, a.a.O., 254)

Viele Wahlkommentator:innen pochen darauf, dass mit dem Abschneiden der AfD eine „nachholende Normalisierung des Parteiensystems“ (Kahrs, Horst: Deutschland: Politische Suchbewegungen, 133) in Deutschland stattgefunden habe. Auch mag eine späte Gerechtigkeit darin liegen, dass die negativen Folgen des Neoliberalismus schlussendlich auch den Ort des Ursprungs der Idee, Europa, treffen, dennoch darf dies nicht dazu führen, dass Großmannsucht, Rassismus und die Idee des Krieges als Mittel der Politik Normalität werden.

Literatur:

  • Beck, Martin/Stützle, Ingo (Hrsg.): Die neuen BonapartistenMit Marx den Aufstieg von Trump & Co. verstehen Dietz Berlin.
  • Deppe, Frank: Nachwort: Bonapartismus reloaded?, in: Beck, Martin/Stützle, Ingo (Hrsg.).
  • Kahrs, Horst: Deutschland: Politische Suchbewegungen, in: Beck, Martin/Stützle, Ingo (Hrsg.).
  • Krebs, Tom/Weber, Isabella: Der Militär-Keynesianismus schadet der Klimawende, in: surplus. Das Wirtschaftsmagazin, (https://www.surplusmagazin.de/militarkeynesianismus-verteidigung-schulden/) vom 13.03.2025.


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